Interview mit Magdalena Gschnitzer

Magdalena Gschnitzer - Aktivistin

  • Südtirol

  • Tierrechts- und Umweltaktivistin

  • Autorin von Lass die Sau raus: Vegan kochen mit Herz und Hirn

  • Filmerin

  • Link zum Instagram Profil

  • https://maggy-gschnitzer.com/

Maggy, erstmal vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein Interview mit Südtirol.Vision nimmst. Zuerst einmal die wichtigsten Fragen: Seit wann ernährst du dich komplett vegan und wie ist es dazu gekommen?

Als ich 2013 beim Tauchen einen Zackenbarsch aus einem Geisternetz befreite und dieser sich daraufhin bei mir für seine Befreiung bedankte, habe ich zum ersten Mal richtig verstanden, dass alle Tiere genauso Gefühle haben wie wir Menschen. Dieser Fisch schwamm für eine Zeit lang Seite an Seite mit mir mit und blickte mir dabei direkt in die Augen und zugleich in mein Herz. Der Moment berührte mich zutiefst. So wurde ich bald darauf zur Vegetarierin. Während meines Einsatzes als Freiwillige der Meeresschutzorganisation Sea Shepherd, durfte ich auch sehen, dass sogar eine rein pflanzliche Ernährung mega lecker schmeckt. Zugleich begann ich zu verstehen, dass nicht nur Fleisch und Fisch zu essen viele Umweltprobleme und Ungerechtigkeit mit sich bringt, sondern auch hinter Milchprodukten, Eiern und anderen tierischen Produkten, Probleme stehen, welche ich nicht unterstützen möchte. Da ich mich besonders auf Meeresschutz spezialisiert habe, las ich viele Bücher über die Meere und begann allmählich zu begreifen, was die Überfischung mit anderen tierischen Produkten zu tun hat und wie alles miteinander verbunden ist.

Die Abholzung des Regenwaldes, Hungersnot auf der Welt, aber auch viele Krankheiten hängen ganz stark mit unserer westlichen Ernährungsweise zusammen. Das alles zu verstehen, brauchte etwas Zeit. Immerhin war ich für 28 Jahre lang so sehr von den Glaubenssätzen geprägt, ich müsste Fleisch und Fisch essen, um gesund zu sein und es sei ja total natürlich Kuhmilch zu trinken. Nach einer Kampagne im Mittelmeer um Geisternetze aus dem Meer zu holen, tauchte ich bei einer Fischfarm. Ich filmte die Tiere unter Wasser, welche in riesigen Mengen in den Netzen gezüchtet werden. Sie sahen aus, wie leere Hüllen, ihre Flossen angeknabbert oder von Parasiten befallen. Verkrüppelte Körper schwammen wie leere Hüllen auf das Licht meiner Kamera zu, als wäre keinerlei Leben mehr in ihnen. Nach dieser Kampagne entschied ich mich vollkommen vegan zu leben.

Du selbst bezeichnest dich zusätzlich auch als Umweltaktivistin. Welche Rolle spielt hier deine vegane Ernährung? Und was kann man neben einer veganen Ernährung noch für unsere Umwelt tun?

Ich denke, wir können die Natur nicht wirklich schützen, wenn wir nicht bereit sind, unseren Konsum von tierischen Produkten völlig neu zu überdenken. Ich kann nicht die Meere schützen, wenn ich Fisch esse. Das geht einfach nicht. Die Meere sind bereits so stark überfischt und dabei geht es nicht nur ums Fisch essen, sondern auch darum, Tiere an Land mit Fischprodukten zu füttern, welche auch wir am Ende wieder essen. Beim Fischen gelangt so viel Müll (vor allem Geisternetze) in die Meere, der leider jährlich Millionen von Tieren das Leben kostet. Die übermäßige Landwirtschaft und die Überdüngung ist ein weiteres großes Problem, welches sich nicht zuletzt auch wieder auf die Meere auswirkt. Der Dünger gelangt in das Grundwasser, in die Flüsse und somit auch ins Meer, wo er genau das macht, wofür er konzipiert ist: er düngt weiter. Im Meer entstehen dadurch kilometerlange Algenteppiche an der Oberfläche. Millionen von Bakterien bilden sich dort und verbrauchen den gesamten Sauerstoff, bis kein Sauerstoff mehr im Meer ist.

Dadurch entstehen Todeszonen in den Meeren, in denen nichts und niemand überleben kann. Ein leeres Meer. Da wir heute wissen, dass bis zu 70% unseres Sauerstoffverbrauches aus dem Meer kommt, ist das eine Katastrophe. Dazu kommt, dass der Regenwald für die Fleischproduktion abgeholzt wird, welcher ja auch Sauerstoff produziert und viele Tiere beheimatet. Mit unserer Ernährungsweise zerstören wir unser eigenes Zuhause und essen der nächsten Generation ihre Zukunft weg, Bissen für Bissen. Ich finde, das ist nicht fair. Nicht nur gegenüber den Tieren und dem Planeten, sondern auch gegenüber den Kindern von heute. Sie müssen schließlich mit den Fehlentscheidungen ihrer Eltern leben. Ich bin der Meinung, die Kinder haben es sich verdient, eine schöne Zukunft zu erhalten, genau wie die Tiere sich ein friedliches Leben verdienen.

Ich weiß, es scheint nicht immer leicht zu sein, auf tierische Produkte zu verzichten, aber mit den heutigen Möglichkeiten wird es täglich einfacher. Nicht zuletzt wirkt sich unsere Ernährung auch auf unsere eigene Gesundheit und unser Immunsystem aus.

Neben der Ernährung kann man sich natürlich noch auf viele andere Arten für diese Welt einsetzen. Natürlich kann jede*r Freiwillige*r für Umweltorganisationen werden, Müll sammeln, Geisternetze aus den Meeren holen, Tiere schützen, Menschen aufklären und dazu motivieren, das selbe zu tun. Wichtig zu verstehen ist allerdings, dass Aktivismus nicht auf der anderen Seite der Welt beginnt, sondern genau hier, genau jetzt, mit jedem Euro, den wir ausgeben, geben wir zugleich auch eine Stimme ab. Sei es bei Lebensmitteln, bei den Verpackungen, beim Kleiderkauf, bei Elektrogeräten und eigentlich überall. Wir können uns heute dafür entscheiden, unser Geld für etwas zu verwenden, das diese Welt schützt. Es liegt in unserer Hand.

In Südtirol essen immer noch 97% Fleisch (ASTAT, 2018). Was sind deiner Meinung nach die Gründe dafür und denkst du, dass sich diese Zahl in Zukunft ändern wird?

Die Gründe dafür, dass 97% der Südtiroler*innen Fleisch essen sind sicherlich unterschiedlich. Wenn wir in einer Kultur aufwachsen, in welcher unser gesamtes Umfeld uns das Essen von Tieren als völlig normal vorlebt, ist es nicht verwunderlich, dass wir es als normal betrachten. Sich für den Schutz von Tieren einzusetzen in einer Welt, in der die meisten Tiere als Nutztiere angesehen werden, braucht Mut. Es ist auf jeden Fall einfacher, denselben Weg zu gehen und auch dasselbe zu tun, wie die Menschen in deinem Umfeld und wenn du einen völlig neuen Weg einschlägst, wirst du als erstes vielleicht auf ziemlich viel Widerstand stoßen.

Leider lernen wir auch von klein auf völlig falsche Glaubenssätze, wie „Wenn du kein Fleisch isst, wirst du krank! Ohne Milch zu trinken, kriegst du nicht genügend Kalzium!“ Und weitere. Diese Glaubenssätze sind sehr tief verankert und sie zu ändern ist nicht einfach.

In Südtirol leben dazu noch sehr viele Menschen vom Verkauf tierischer Produkte. Das zu ändern ist kein leichter Weg. Trotzdem blicke ich sehr positiv in die Zukunft und glaube, dass genau jetzt immer mehr Menschen sich sehr wohl Gedanken über ihren Konsum machen, das gilt auch für den Verzehr tierischer Produkte.

Bonus Frage: Welche Tipps kannst du der Community von Südtirol.Vision auf den Weg geben?

Menschen brauchen Zeit, um ihre Gewohnheiten und Glaubenssätze zu überdenken und zu verändern. Ich habe auch Zeit gebraucht. Wenn du dir Veränderung schneller wünschst, sei ein Vorbild für andere Menschen, indem du aufzeigst, wie schön es ist, sich für diese Welt einzusetzen. Zeige niemals mit dem Finger auf Menschen, die nicht vegan leben, denn das baut nur Mauern auf und verhindert jede Art der konstruktiven Kommunikation. Es verändert nichts zum Guten, mit dem Finger zu zeigen. Stattdessen kannst du dich selbst gesund vegan ernähren und dadurch auch aufzeigen, wie gut es dir und deinem Körper damit geht.

Gib immer dein Bestes mit dem Wissen, das du heute hast. Wenn du heute etwas über dein gestriges Verhalten dazu lernst, erhältst du die Chance, es morgen besser zu machen. Das ist doch mega cool, oder? Somit kannst du zugleich auch noch in deiner Persönlichkeit wachsen.

Wenn du dich gemeinsam mit mir an jedem Tag ein kleines bisschen für diese wunderschöne Welt einsetzen möchtest, kannst du dich gerne auf meiner Homepage für die 30-Tage HOPE-Challenge anmelden. Dann erhältst du für 30 Tage lang an jedem Tag ein Video von mir zu den Themen: Hoffnung, Umweltschutz, Mut, Ernährung, Plastik, Konsum.

Ich freue mich auf dich.

www.maggy-gschnitzer.com


Total tolles Interview. Danke Maggy und mach es gut!

Veröffentlicht am 28.11.20