Wir sind dazu gemacht Fleisch zu essen, es ist Teil unserer Entwicklung.

Vegan zu leben wird in der heutigen Gesellschaft von vielen immer noch als unnatürlich angesehen. Fleisch war schließlich auch unter unseren Vorfahren, den Steinzeitmenschen, schon eine wichtige Nahrungsquelle. Zweifelsfrei hat der Konsum von tierischem Protein in unserer Evolution eine wichtige Rolle gespielt, aber wir sollten uns gut überlegen, ob das auch heute noch sinnvoll ist.

Tatsächlich ist unsere Verdauungsphysiologie und -anatomie und unser Nährstoffbedarf dem unserer nahen Verwandten, den Schimpansen und anderen Menschenaffen, sehr ähnlich (Milton, 1999). Das macht auch Sinn, wenn wir uns unsere Entwicklungsgeschichte vor Augen halten. Erst vor rund 7 Millionen Jahren hat sich die menschliche Entwicklung von der der heutigen Schimpansen getrennt. Davor teilten wir uns über 50 Millionen Jahre gemeinsame Vorfahren. Und diese lebten viele Millionen Jahre in den Bäumen und ernährten sich ausschließlich von Früchten und Blättern.

In der Natur wird die Evolution durch einen Selektionsdruck auf Gene vorangetrieben, die einen Überlebensvorteil verschaffen. Unsere Art hat sich Millionen von Jahre an den Konsum von Pflanzen angepasst, bevor wir im Laufe der Zeit von den Bäumen in die Steppe wanderten. So änderten sich die Lebensbedingungen und die Nahrungsverfügbarkeit, und wir entwickelten uns zu Allesfressern.

Durch den Übergang zum Fleischkonsum kam es aber zu keinen markanten anatomischen oder physiologischen Anpassungen. Der zuvor auf Pflanzenkonsum spezialisierte Körper unserer Vorfahren konnte Fleisch ohne weitere Anpassungen verwerten. Unsere Vorfahren haben sich nicht über negative gesundheitliche Folgen Gedanken gemacht, die langfristiger Fleischkonsum nach sich zieht. Der Alltag war ein Überlebenskampf und die, die es ins fortpflanzungsfähige Alter schafften, hatten gewonnen. So gab es nie einen Selektionsdruck für Gene, die unseren Körper besser an Fleischkonsum angepasst hätten. Dem urzeitlichen Körper war es egal, ob er theoretisch das Potential hatte, 50 oder 100 Jahre alt zu werden, wenn er ohnehin mit 30 Jahren starb (Milton, 2000; Warinner bei der International Conference on Nutrition in Medicine, 2016).

Wenn wir heute moderne Zivilisationskrankheiten verstehen wollen, müssen wir uns nur unsere Millionen von Jahren andauernde Entwicklung vor Augen führen. Unser Körper ist auf den Konsum von Pflanzen und Früchten und ein Leben voller Bewegung im Freien ausgelegt. Vor allem die westliche Gesellschaft hat sich völlig von unserer Natur abgekoppelt und lebt heute sesshaft mit einer Ernährung, die den Fokus viel zu sehr auf tierisches Protein legt. (Milton, 1999)

Übrigens ist die weit verbreitete Annahme, dass sich unsere direkten Vorfahren in der Steinzeit großteils von Fleisch ernährten, ohnehin falsch. Da sich tierische Überreste wie Knochen und Mineralien viel länger konservieren als Pflanzen, konnte man aus archäologischen Funden lange Zeit nur ungenaue Aussagen über die steinzeitliche Ernährung treffen. Der Fleischkonsum wurde viel zu stark in den Vordergrund gerückt. Dank neuer Technologien, die DNA-Reste aus versteinerten Zähnen analysieren kann, wissen wir heute: Unsere steinzeitlichen Vorfahren ernährten sich überwiegend von pflanzlicher Kost (Milton, 2000; Dunn in Scientific American, 2012; Schoeninger, 2012; Henry et al., 2012).

Außerdem waren Menschen noch nie gute Jäger: Nach Schätzungen des Anthropologen Prof. John D. Speth liegt selbst unter modernen Jägern und Sammlern, wie den Hadza Stämmen in Tansania, die Erfolgsquote bei der Jagd nur bei 3 % (Speth in The Paleoanthropology and Archaeology of Big-Game Hunting, 2010). Dadurch ist es sinnvoll, dass sich unsere Vorfahren immer schon auf Pflanzen als Hauptnahrungsquelle verlassen haben.

Viele Menschen glauben weiterhin, dass der Wechsel von rein pflanzlicher zu tierischer Kost der Grund für unsere rasche Gehirnentwicklung war. Aber nicht der Fleischkonsum ist dafür verantwortlich. Vielmehr unterscheiden wir uns genetisch von unseren nächsten Verwandten - den Schimpansen - in der Fähigkeit, Stärke zu spalten. Durch mehrere Mutationen im Amylase-Gen konnten wir uns im Gegensatz zu anderen Menschenaffen Knollen und Wurzeln als Nahrung zu Nutzen machen. Dadurch eröffnete sich unseren Vorfahren eine riesige Palette an verwertbaren Pflanzen. Und dem Gehirn stand viel mehr Energie in Form von Glucose zur Verfügung. Nathaniel Dominy, Professor für Anthropologie am Dartmouth College, sieht darin einen entscheidenden Entwicklungsschritt unserer Vorfahren (Perry et al., 2007). Zu denselben Schlüssen kommt auch Cohen in seinem Buch The world history of food (Cohen, 2012 in Proteinaholic).

Und selbst wenn der Mensch in Urzeiten hauptsächlich von Fleisch gelebt hätte: Fleisch hat eine extrem hohe Kaloriendichte; also pro Gramm werden viel mehr Kalorien aufgenommen, als bei Pflanzen - welche oft zum Großteil aus Wasser bestehen. In Zeiten von Jägern und Sammlern legten unsere Vorfahren jeden Tag unglaublich viele Kilometer zu Fuß zurück und verbrauchten so sehr viel Energie. Im Gegenteil dazu fährt der heutige Durchschnittsmensch oft mit dem Auto zur Arbeit, sitzt dort 8 Stunden am Schreibtisch und verbringt den Abend vor dem Fernseher auf der Couch. Wohin also mit den ganzen Kalorien aus den energiereichen tierischen Produkten.

Referenzen

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