Der Mensch ist ein Allesfresser

Schlüsselerkenntnisse:

  • am treffendsten müssen wir Menschen uns also als Cookivoren bezeichnen

  • ein Blick auf unsere Anatomie lässt uns besser verstehen, warum wir in unserer Ernährung den Fokus wieder mehr auf pflanzliche Produkte lenken sollten

  • erst wenn wir die Realität des Fleischkonsums hinter ausreichend hohen Mauern verstecken, vergessen wir unseren Instinkt und essen guten Gewissens andere Tiere

Der Mensch ist die einzige Spezies auf diesem Planeten, die das Feuer zum Eigenzweck entdeckt hat. Dadurch haben wir uns grundlegend von allen anderen Lebewesen abgehoben. Wir sind nicht mehr darauf angewiesen, nur Dinge zu essen, für die unser Körper gemacht ist. Kochen und Erhitzen tötet nicht nur Krankheitserreger ab (rohes Fleisch), sondern dient auch der Vorverdauung. Dadurch stehen uns Nahrungsmittel zur Verfügung, die wir ansonsten nie verwerten könnten. Am treffendsten müssen wir Menschen uns also als Cookivoren bezeichnen.

Der Braunbär, ein klassischer Allesfresser.Bild: Mark Basarab/unsplash. Dieses Bild wurde verändert.

Dennoch wollen wir hier unsere Gattung (Homo sapiens) kurz analysieren. Evolutionsgeschichtlich weisen wir sehr wohl viel mehr Charakteristika eines Herbivoren (Pflanzenfresser) auf. Ein Blick auf unsere Anatomie lässt uns besser verstehen, warum wir in unserer Ernährung den Fokus wieder mehr auf pflanzliche Produkte lenken sollten.

Vitamin C

Fleischfresser, wie z.B. alle Katzenarten, sind in der Lage, Vitamin C selbst zu produzieren. Wir Menschen haben diese Fähigkeit schon sehr früh in unserer Entwicklungsgeschichte verloren. Unsere Vorfahren lebten lange Zeit in den Bäumen und ernährten sich von Früchten. Vitamin C gab es im Überfluss und unser Körper sparte sich die Energie, die entsprechenden Enzyme selbst herzustellen. Wir sind also auch heute auf den Konsum von Früchten und Pflanzen angewiesen.

Eckzähne und Gebiss

“Wir haben Eckzähne, also sind wir Fleischfresser- leider hört man dieses Argument immer noch häufig. Tatsächlich haben die allermeisten Herbivoren ebenfalls Eckzähne. Die größten Eckzähne im Tierreich haben Nilpferde - reine Pflanzenfresser. Dies dient nicht nur zur Verteidigung, sondern auch der Paarung: Individuen mit längeren Eckzähnen symbolisieren Stärke und sind daher erfolgreicher beim weiblichen Geschlecht. Uns Menschen dienen sie zudem wahrscheinlich dazu, harte Früchte, wie etwa Äpfel, leichter in Stücke zu beißen.

Und während wir, wie alle Pflanzenfresser, unser Gebiss in alle Richtungen bewegen können, ist das Gebiss von Carnivoren nur in einer Ebene beweglich. Dieser Unterschied erklärt sich in der Art, wie wir Nahrung zu uns nehmen: Carnivoren müssen mit ihren scharfen, spitzen Zähnen Fleisch nur minimal zerkleinern, um es dann in großen Stücken zu schlucken. Die restliche Arbeit erledigt der saure Magen. Herbivoren im Gegenteil zerkleinern Nahrung viel intensiver. Deswegen besitzen wir auch breite Mahlzähne am Rande des Gebisses.

Speichel

Nahezu alle Tiere besitzen das Enzym Amylase, welches Kohlenhydrate spaltet. Dieses Enzym wird von der Bauchspeicheldrüse gebildet - bei Menschen kommt es allerdings auch im Speichel vor. Daher sind wir noch viel effektiver in der Verdauung von sehr stärkehaltigen Lebensmitteln wie Kartoffeln und anderen Wurzelgewächsen. Dies ist einer der Gründe, warum sich unsere Spezies so entwickelt hat, wie sie es tat. Durch dieses Enzym stand unseren Vorfahren eine riesige Bandbreite an Pflanzen zum Verzehr bereit.

Magen

Unser Magen-PH ist im vergleich zu anderen Carnivoren viel basischer. Carnivoren sind auf einen sehr sauren Magen-PH angewiesen, um Toxine im rohen Fleisch effektiver abzutöten. Wir haben dieses Problem durch Kochen zwar teilweise umgangen, aber hoher Fleischkonsum führt auch im Menschen zu einer Übersäuerung des Magens. Menschen die viel Fleisch konsumieren leiden daher oft an Sodbrennen.

Darm

Herbivoren haben im Verhältnis zu ihrer Körpergröße einen viel längeren Darm als Carnivoren. Die dementsprechend größere Darmoberfläche gibt einem Pflanzenfresser mehr Zeit, alle Nährstoffe aus dem zähen Pflanzenmaterial aufzunehmen. Die Verweildauern von Nahrung im Darmtrakt ist auch länger. Wir Menschen haben eine Darmlänge die in etwa zwischen der von Herbi- und Carnivoren liegt. Allerdings hat sich unser Darmtrakt im Laufe der Evolution erst wieder verkürzt, und zwar dank der Entdeckung des Feuers. Carnivoren haben einen kurzen Darm, um die Fleischreste und die dahin vorhandenen Toxine und Viren schnell wieder auszuscheiden. Im Gegensatz dazu verweilt Fleisch viel zu lange in unserem Darm. Nicht zuletzt deshalb wurde Fleisch von der WHO als ein Karzinogen der Klasse 1 (sicher krebsauslösend) für Dickdarmkrebs eingestuft.

Energie

Unsere Zellen lieben Glucose. Vor Allem unser Gehirn besteht auf eine konstante Zufuhr. Die beste Quelle für Glucose: komplexe Kohlenhydrate. Also Früchte, Gemüse, Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte. Tierische Produkte enthalten kaum Kohlenhydrate. Wir können zwar auch aus Proteinen und Fett Glucose synthetisieren, dieser Vorgang läuft in uns Menschen aber sehr ineffizient ab. In Carnivoren läuft dieser Vorgang der Gluconeogenese im Gegenteil dazu viel effektiver ab.

Instinkt

Stell dir ein friedlich grasendes Schaf auf der Weide vor. Willst du auf es zulaufen und es töten, um deinen Hunger zu stillen? Du siehst ein gehäuteten Rinderkadaver. Daneben eine üppige Auswahl an buntem Obst und Gemüse. Was lässt dir eher das Wasser im Mund zusammenlaufen? Wir Menschen sind sehr empathische Wesen. Der Großteil von uns wird keine anderen Lebewesen töten, wenn es nicht absolut notwendig ist. Wenn wir an Schlachthäuser und die darin stattfindenden Gräueltaten denken, stellen sich bei den meisten die Haare auf. Keiner will mit der Realität unseres Konsums von tierischen Produkten konfrontiert werden. Es ist kaum mit unseren moralischen Grundwerten in Einklang zu bringen.

Wenn wir ein neugeborenes Kalb im Stall sehen, dann haben wir den Drang es zu streicheln, ihm Liebe zu geben. Aber nicht es zu zerfleischen. Erst wenn wir die Realität des Fleischkonsums hinter ausreichend hohen Mauern verstecken, erst wenn wir Lebensmittel genug verarbeiten, um uns jeden Bezug zu ihnen zu nehmen, erst dann vergessen wir unseren Instinkt und essen guten Gewissens andere Tiere.

Bild: Sam Carter/unsplash. Dieses Bild wurde verändert.

Wir haben uns nicht zu sozial so überlegenen Lebewesen entwickelt, deren größte Tugenden Liebe und Mitgefühl sind, um jetzt unseren Planeten und seine Bewohner grausam zu unterjochen. Wenn wir den Bezug zu unserem Essen wiederherstellen und unseren Instinkten folgen, dann müsste keiner Mutter mehr ihr Neugeborenes weggenommen werden, kein Schwein mehr ohne Narkose kastriert werden, und keinem Rind mehr bei vollem Bewusstsein die Kehle durchgeschnitten werden.

Veröffentlicht am 22.06.2020