Wir können nicht wissen, ob es den Tieren wirklich schlecht geht.

Jeder, der einmal ein Haustier hatte, weiß, dass auch Tiere eine Persönlichkeit haben. Dass sie sich freuen, Trauer zeigen oder Schmerzen fühlen können. Der Spruch ein Hund ist des Menschen bester Freund kommt nicht von ungefähr – Hundebesitzer sehen jeden Tag, wie einfühlsam, treu und liebevoll ihre vierbeinigen Freunde sein können. Als Gesellschaft sprechen wir Tieren ihre Fähigkeiten, Emotionen zu empfinden, ja auch gar nicht ab. Nicht ohne Grund gibt es Tierschutzgesetzte und Strafen für Tierquälerei. Wir erkennen an, dass Tiere Schmerzen und Leid erfahren können. Aber leider gewähren wir nicht allen Tieren die gleichen Rechte. Wenn du einem Hund auf offener Straße die Kehle durchschneidest, dann erntest du Verachtung und Hass – und vom Gesetz wirst du bestraft. Wenn du einem Schwein hinter geschlossenen Mauern die Kehle durchschneidest, dann bist du Lebensmittelproduzent und erhältst Steuererleichterungen. Wenn du einer Katze ihr Neugeborenes wegnimmst, um ihre Milch zu trinken, dann erntest du Unverständnis und Ekel. Wenn du selbiges bei einer Kuh machst, bist du ein geschätzter Milchbauer und erhältst Agrarsubstitutionen.

In der Psychologie nennt man dieses Phänomen kognitive Dissonanz. Wir sprechen gewissen Tieren ein Recht auf Würde und eine humane Behandlung zu. Anderen Tiere hingegen gewähren wir nicht einmal das Selbstverständlichste: das Recht auf ein Leben in Würde und frei von Schmerzen.

Bild: Jo-Anne McArthur/ We Animals. Dieses Bild wurde verändert.

Aus wissenschaftlicher Sicht besitzen nichtmenschliche Tiere die gleichen, oder zumindest sehr ähnliche, Gehirnareale zur Schmerzempfindung und -verarbeitung wie wir Menschen. Auch die körperliche Antwort auf einen Schmerzreiz ist ähnlich – Schmerzensschreie, windige Bewegungen, eine Zunahme der Atem- und Herzfrequenz – ja sogar Fische zeigen ein entsprechendes Verhalten. Genauso wie uns Menschen kann man auch Tieren Schmerzmittel verabreichen und dabei zusehen, wie sich das Schmerzempfinden daraufhin verändert. Aus physiologischer Sicht unterscheiden sich unsere Empfindungen nicht, was von einem evolutionären Standpunkt ja durchaus Sinn macht. Denn wie wir schon bei Pflanzen fühlen auch Schmerz gelernt haben, ist Schmerz für das Überleben essentiell und hat sich dadurch schon sehr früh in der Entwicklung aller Tiere etabliert.

Was sich dagegen schon zwischen uns Menschen und Tieren unterscheidet, ist unsere Art, mit Schmerzen umzugehen. Wir können Schmerzen verstehen, nachvollziehen, ausblenden und verdrängen. Wenn wir uns mit einem Messer schneiden wissen wir, warum der Finger daraufhin weh tut, und wir wissen, dass der Schmerz bald nachlassen wird. Wenn wir einer Kuh die Heugabel ins Fleisch rammen, nur damit sie sich Richtung Schlachthaus bewegt, dann versteht sie nicht, woher der Schmerz kommt, und sie weiß auch nicht, wann und ob er nachlassen wird. Sie spürt nur den Schmerz ohne ein Verständnis dafür, was ihr Leid nur umso größer macht.

Bild: Jo-Anne McArthur/ We Animals. Dieses Bild wurde verändert.

Genauso läuft es leider mit emotionalen Schmerzen ab, die wir anderen Lebewesen zufügen. Wenn einer Kuh ihr Neugeborenes weggenommen wird, um an ihre Milch zu kommen, dann versteht sie nicht, warum das passiert. Sie spürt nur unvorstellbares Leid und Trauer, in jedem Moment ins unermessliche verstärkt durch ihre mütterlichen Instinkte. Der Schmerz lässt nicht nach, da ihr das Verständnis dafür fehlt. Sie kann sich nicht erklären, warum ihr so etwas angetan wird, und sie weiß auch nicht, dass die Zeit alle Wunden heilt. So ist sie in jedem Moment gezwungen, das Leid mit voller Kraft zu erleben. Und wer nicht daran glaubt, dass eine Mutterkuh emotionales Leid verspüren kann, der sollte sich mal mit einem Milchbauern unterhalten. Es ist keine Seltenheit zu hören, dass die Schreie einer Mutterkuh nach ihrem Kind die grauenvollsten Geräusche sind, die man jemals gehört hat.

Bild: Alan Roberts/unsplash. Dieses Bild wurde verändert.

Social Media hat in dieser Hinsicht schon viel bewegt - Kameras in Schlachthöfen, Videos von Tierschützern oder Drohnenaufnahmen von Massentierhöfen zeigen uns, was uns die Industrie verheimlichen will. Aufnahmen von schreienden Schweinen, die in Gaskammern getrieben werden oder das Bild eines bei lebendigem Leib gehäuteten Waschbären gehen unter die Haut. Aber Menschen, die tierische Produkte konsumieren wollen, sollten zumindest die Wahrheit sehen und wahrnehmen, wie es den Lebewesen geht, die für sie sterben müssen. Das sind sie den Tieren schuldig. Und wenn auch für dich diese Bilder nicht erträglich sind – du hast in jedem einzelnen Moment die Chance, dieses Grauen zu beenden. Also worauf wartest du?

Veröffentlicht am 02.11.2020